Spechte – Unverzichtbare Geschöpfe

Die Spechte (Picidae) gehören zu einer sehr umfangreichen Familie. 28 Gattungen und mehr als 200 Arten sind bislang bekannt.

Von den zehn in Österreich vorkommenden Spechtarten (Schwarzspecht, Grauspecht, Grünspecht, Buntspecht, Kleinspecht, Weißrückenspecht, Dreizehenspecht, Wendehals, Mittelspecht, Blutspecht), ist der Weißrückenspecht vom Aussterben bedroht und der Kleinspecht ebenfalls gefährdet. In der Vorwarnstufe bewegt sich der Grünspecht, hingegen gibt es über den Grauspecht zu wenig Datenmaterial, um ihn in den Roten Listen kategorisieren zu können. Der Bestand des Wendehalses ist zwar weltweit stabil, in Österreich geht der Bestand allerdings drastisch zurück. Spechte haben im Ökosystem Wald eine besonders wichtige Schlüsselrolle und aus diesem Grund gilt es, diese Arten zu erhalten.

Einzigartige Anatomie

Junger Buntspecht - von Jakob Zmölnig http://www.respect-to-wildlife.at/image/bilder/report08/specht/buntspecht.jpg

Junger Buntspecht. Bildquelle: Jakob Zmölnig.

Spechte sind gestreckt gebaute Vögel mit starkem, geradem, kantigem Meißelschnabel, der fast so lang wie ihr Kopf ist. Der Schädel weist spezielle Anpassungen auf, die dazu dienen, Erschütterungen zu dämpfen, beispielsweise eine federnde Verbindung zwischen Schnabel und Hirnschädel. Näheres dazu finden Sie in unserem Beitrag „Kuriositäten aus der Vogelwelt“.

Im Unterschied zu anderen Vogelarten, ausgenommen den Papageienartigen,  besitzen Spechte in der Regel paarig gestellte Zehen, von denen zwei nach vorn und zwei nach hinten gerichtet sind. Eine weitere Besonderheit, die diese Vögel ausmacht, ist, dass sie mit erheblichem Kraftaufwand und enormer Ausdauer mit ihrem Schnabel gegen Baumstämme klopfen und dabei das Holz zerspanen, um Futter zu finden, Nisthöhlen zu „zimmern“, ihr Revier zu markieren oder Geschlechtspartner anzuziehen. Diese Tätigkeiten nennt man auch „Meißeln (Zerspanen) und „Trommeln (Balzverhalten). Ausgenommen davon ist der Wendehals, der selbst keine Löcher in Bäume zimmern kann – er ist auf schon vorhandene Bruthöhlen angewiesen.

Die meisten Arten ernähren sich von Insekten, die sie in oder unter der Baumrinde beziehungsweise Borke oder in morschem Holz finden. Dazu klettern sie an den Bäumen aufwärts und suchen nach hohlen Stellen, indem sie mit dem Schnabel die Stämme abklopfen.

Spechte zeigen unterschiedliche Lebensraumansprüche, die vom wenig anspruchsvollen, nahezu ubiquitären Buntspecht bis hin zu hochspezialisierten, anspruchsvollen Arten wie dem Dreizehen- und dem Weißrückenspecht reichen. Auch ihre Nahrungsansprüche sind sehr unterschiedlich.

Der Buntspecht – der Schmied unter den Spechten

Zur Verfügung gestellt von Jacqueline Klein-Wlika - Buntspecht am Futterhaus

Buntspecht am Futterhaus. Zur Verfügung gestellt von Jacqueline Klein-Wlika.

Buntspechte (Dendrocopos major) drücken Haselnüsse oder auch Tannenzapfen in Baumspalten (die sie z. T. zuvor auch sogar erst selbst erschaffen, indem sie eine entsprechende Kerbe in den Stamm oder einen Ast meißeln), um die so fixierten Objekte dann mit ihrem Schnabel aufzuklopfen. Dieses Verhalten nennt man „schmieden“  – und die bevorzugten Plätze werden liebevoll „Spechtschmieden“ genannt.  Buntspechte sind gefürchtete Nesträuber, da sie auch Jungvögel anderer Vogelarten nicht verschmähen. Bei Frost ernährt er sich auch gerne von Beeren oder Nüssen, die man ihnen auf Futterplätzen zur Verfügung stellen kann.

Weißrückenspecht – der „Urwaldspecht“

Der Weißrückenspecht, der als die seltenste Spechtart Mitteleuropas gilt, verdient besondere Aufmerksamkeit, weil er hohe Ansprüche an die von ihm bewohnten Waldgebiete stellt. Er gilt gewissermaßen als „Urwaldspecht“, der Laub- und Mischwalder mit einem hohen Angebot an stehendem und liegendem Totholz bewohnt. Abgestorbene und sehr stark vermorschte Laubbäume bevorzugt er für seine Höhlenanlage. Hauptsächlich ernährt er sich von den Raupen des Weidenbohrers, Larven von Pracht- und Bockkäfern, sowie von anderen Kerbtieren, die er in und unter der Rinde von zerfallenem Holz findet. Schnaken und andere im Geäst lebende Formen gehören ebenso auf seinen Speiseplan, während pflanzliche Nahrung eine eher untergeordnete Rolle spielt. Ein plausibler Grund für seine Bedrohung ist der geringe Altholzbestand, Mangel an stehendem und liegendem, morsch gewordenem Holz aller Zerfallsstadien und dem üblichen Aufbau eines Mischwaldes mit durchsonnten Stellen.

Erdspechte

Einige Arten, etwa der Wendehals (Jynx torquilla), der Grünspecht (Picus viridis), oder auch der Grauspecht (Picus canus) leben hauptsächlich von Ameisen und deren Puppen, die sie am Boden suchen. Den Grün- und Grauspecht zählt man aufgrund ihrer Nahrungsspezialisierung auch zu den Erdspechten.

junger Grünspecht

Junger Grünspecht.

Der Grünspecht bevorzugt trockene Streuobstwiesen mit Obstbaumbeständen. Diese meist trockenen Wiesen, die mehrmals im Jahr gemäht werden, bergen eine Unmenge von Ameisennestern. Solche Wiesen- und Wegameisen sind der Hauptgrund seines Aufenthaltes in diesem Biotop. Nicht gemähte Wiesenflächen und zu oft gemähte Rasenflächen dagegen meidet der Grünspecht wegen Mangel an Ameisennestern.

Leicht verwechseln kann man den Grünspecht mit dem sehr ähnlichen Grauspecht. Der Grünspecht ist allerdings etwas größer als der Grauspecht und hat eine dunklere Gesichtsmaske. Der Flug des Grünspechts wirkt kopflastig und nicht geradlinig. Weitere Strecken überbrückt er mit bogenförmigen Segelflugpassagen, wie fast alle Spechte.

Leider muss der Grünspecht mit einem starken Rückgang der Population kämpfen. Vor allem die Zerstörung der Lebensräume durch intensive Landwirtschaft stellen für ihn ein Problem dar. Wiesenameisen bauen auf stark gedüngten und rasch wachsenden Wiesenflächen keine Nester, wodurch die Hauptnahrungsquelle des Spechtes verloren geht. Aber auch durch strenge Winter erleidet die Population große Verluste. Der Grünspecht ist im Gegensatz zum Grauspecht ein sehr kälteempfindlicher Vogel.

Der Größte unter ihnen – der Schwarzspecht

Der Schwarzspecht (Dryocopus martius)  trägt  ganz wie sein Name es zeigt, ein schwarzes Gefieder. Das Männchen hat eine von der Stirn bis zum Nacken reichende Rotfärbung. Beim Weibchen ist der rote Kopffleck meist nicht so stark ausgeprägt. Er ist mit bis zu 340 Gramm der größte in Österreich vorkommende Specht und wird beinahe so groß wie eine Saatkrähe, ist nur bedeutend schlanker und langschwänziger. Beim Schwarzspecht handelt es sich um den zweitgrößten (noch lebenden) Specht der Welt!

In Europa wurden 58 Tierarten festgestellt, die Schwarzspechthöhlen entweder als echte Nachnutzer oder als Höhlenkonkurrenten nutzen. Unter den Vögeln sind das vor allem die Hohltaube, die Dohle und der Star, verschiedene Eulenarten, sowie Gänsesäger und die Schellente. Auch für Fledermäuse, unter ihnen einige äußerst gefährdete Arten, ist der Schwarzspecht ein wichtiger Höhlenlieferant. Die Bedeutung des Schwarzspechtes als Höhlenlieferant wurde während der Erstbesiedelung der Insel Bornholm eingehend studiert. 1966 gelang der erste Brutnachweis. Bis Mitte der 1980er Jahre brüteten auf der Ostseeinsel 36 Paare, zusätzlich wurden einige Nichtbrüter beobachtet. Insgesamt wurden in dieser Zeit fast 2000 Höhlen gezimmert. Während dieser 20 Jahre nahm der Dohlenbestand signifikant zu, Hohltaube und Raufußkauz wurden als neue Brutvogelarten festgestellt. Daher sind der Schutz und die Arterhaltung des Schwarzspechtes von größter Bedeutung, auch wenn dieser selbst zurzeit nicht akut bedroht ist.

Wendehals – der etwas andere Specht

Der Wendehals ist kein Specht im engeren Sinne. Innerhalb der Spechtfamilie zählt er zur Unterfamilie der Wendehälse. Der Wendehals passt so gar nicht in das typische Spechtschema. Er ist ein guter Flieger, hat einen vom „echten“ Specht stark abweichenden Körperbau und ist im Gegensatz zu den übrigen in Österreich brütenden Spechten ein Langstreckenzieher.

Wendehals nach Beringung

Wendehals nach Beringung.

Der Wendehals ist etwas mehr als „sperlingsgroß“, hat aber einen etwas gestreckten Körperbau. Man könnte meinen, dass er wie ein fliegendes Stückchen Baumrinde mit zwei Beinchen aussieht. Einen Geschlechtsmetamorphismus findet man bei ihm nicht. Wie auch für den Grünspecht sind natürliche Streuobstwiesen für den Wendehals lebenswichtig.

Durch die Konzentration auf andere landwirtschaftliche Bereiche und den Rückgang von Streuobstwiesen, kam es zu einer drastischen Minimierung von Lebens- und Nahrungsräumen für den Wendehals. Dadurch  gingen und gehen die Bestände des Wendehalses dramatisch zurück.

Durch die intensive Landwirtschaft und durch Versiegelung und „Aufräumen“ der Natur verringert sich das Nahrungsangebot für ihn. Wenn zu wenig Nahrung da ist, bekommt der Vogel seine Jungen nicht flügge und die Population hat mit zu hoher Jungensterblichkeit zu kämpfen.

Zu guter Letzt – Der Wendehals in der Mythologie

In der griechischen Mythologie ist Jynx eine Nymphe, die mit ihrer Zauberei die Liebe von Zeus gewann. Als Strafe dafür wurde sie von Hera in einen Wendehals verwandelt, der schon in vorklassischer Zeit als Medium für allerlei Liebeszauber galt. Torquilla leitet sich vom lat. Verbum torquere ab, was „winden, drehen“ bedeutet und die außerordentlich auffälligen Kopfdrehungen dieser Art beschreibt. Auch in anderen Sprachen sprechen die nationalen Gattungsnamen ebenfalls diese Verhaltensweise an, zum Beispiel im Englischen (Wryneck – Schiefhals) oder im Niederländischen (Draaihals – Drehhals).

Der Specht – ein unverzichtbares Geschöpf

Auch wenn vor allem der Buntspecht urbane Gebiete für sich entdeckt hat, braucht er, wie alle Spechte, vielfältige und reich strukturierte Wälder. Monokulturen bieten Spechten keinen dauerhaften Lebensraum. Forste dieser Art sind durch Schädlingsbefall wesentlich gefährdeter als der naturnahe Wald. Die oben erwähnten Fakten erschweren den Spechten das Leben und die Entwicklung ihrer Populationen. Das wiederum löst eine Kettenreaktion aus, denn gerade in Wirtschaftswäldern sind Spechte unverzichtbare Baumeister für andere Tierarten: Eulenvögel, Meisen, Tauben, Wildbienen, Fledermäuse und andere Säugetiere sind auf unterschiedlich dimensionierte Spechthöhlen angewiesen. Diese dienen ihnen als Kinderstube, Schlafplatz, Überwinterungsquartier und bieten Schutz vor Feinden und den Unbilden des Wetters. Fehlen diese überlebenswichtigen „Requisiten“, riskieren wir nicht nur ein Ungleichgewicht zugunsten sogenannter „Forstschädlinge“, sondern den Artenreichtum in unseren Wäldern .

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