Über Falknerei und schonende Auswilderungen

Schonende Auswilderungen – nur mit Voliere?

Bei einer Auswilderung gibt es mehrere Optionen. Entweder man lässt ein Wildtier ohne Voliere (am besten direkt am Fundort) wieder frei, oder man entscheidet sich für eine schrittweise Rückführung über eine Voliere. Diese befindet sich oftmals nicht direkt am Fundort, aber andernorts in einem ebenfalls geeigneten Habitat. Für die erste Variante entscheiden wir uns dann, wenn ein Pflegling nicht lange bei uns war. Eine Auswilderung mittels Voliere hingegen ist dann notwendig, wenn es sich um ein Jungtier handelt, das noch die Selbstständigkeit, Gefahr oder Scheu lernen muss. Oder, wenn es sich um ein erwachsenes Tier handelt, das sich nach längerer Pflege wieder an die Außenbedingungen gewöhnen soll und seine ursprünglichen Fähigkeiten langsam wiedererlangen muss. Mehr dazu in diesem Beitrag.

Besondere Ansprüche

Es gibt allerdings Tiere mit besonderen Ansprüchen an eine Auswilderung. So ist es in herkömmlichen viereckigen Volieren nicht möglich, Mauersegler auszuwildern, da diese schnellen Flieger nicht auf Wendigkeit in kleinen Räumen ausgelegt sind. In einer Voliere könnte es daher passieren, dass sie sich das überlebenswichtige Gefieder abstoßen und somit zerstören.

Auch Falken können in einer ähnlichen Voliere, so geräumig und groß sie von außen auch aussehen mag, höchstens von einem Ast zum anderen hin und her flattern. Echtes Training sieht anders aus.

Falknerei in der Wildtierpflege

Tierschutzorganisationen stehen Jagd und Falknerei oftmals sehr kritisch gegenüber. Während manche Kritikpunkte – wie in allen Bereichen – sicherlich berechtigt sind, gibt es viele wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bezug auf Greifvogelhaltung und Rehabilitation ausschließlich aufgrund der Falknerei. Schließlich handelt es sich um eine Interessensgruppe, die oftmals bereit ist, aufwändige, neue Behandlungen für ihre Tiere zu finanzieren und verschiedene Haltungsmöglichkeiten zu erproben. Von dem Wissen der Falknerei können wir in der Wildtierpflege enorm profitieren.

Falknerisches Training als echte Chance

Wir nehmen nun einen Turmfalken als Beispiel, der im Jänner 2020 neben massiven Hämatomen mit Frakturen an Bein und Flügel (Radius-Ulna und Tibiotarsus) zu uns gebracht wurde. Der Vogel konnte weder stehen noch greifen (Beutefang!) und war flugunfähig.

Falke frisst Beute

Die Prognose war sehr ungewiss. Nicht nur, weil nicht klar war, ob die Brüche überhaupt schön abheilen werden. Auch die anschließende Rehabilitation war ein großes Fragezeichen.

Es handelt sich bei Turmfalken um eine Tierart, deren Überleben von ihrer Jagdfähigkeit abhängt. Turmfalken müssen in der Lage sein, in der Luft „stehend“ zu flattern (sog. Rütteln). Ist ein Falke auch nur ein wenig zu langsam oder zu ungeschickt, kann es für ihn bedeuten, dass er verhungert oder in Kämpfen unterlegen ist.

Glücklicherweise verheilten die Verletzungen mithilfe von Pins und Verbänden einwandfrei und das Gefieder blieb dank des angebrachten Stoßschutzes vollkommen in Ordnung. Trotz aller Vorkehrungen hatte er aber durch die Pflegesituation mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit wichtige Flugmuskulatur eingebüßt. Auch die Beweglichkeit der verletzten Gliedmaßen war deutlich reduziert. In den Innenvolieren konnte der Falke zwar bald von Ast zu Ast hopsen, doch es war schnell klar, dass das nicht ausreicht.

Wir wollten den Falken nicht auswildern, ohne uns seiner überlebensnotwendigen Fähigkeiten gewiss zu sein. Daher entschieden wir uns gegen eine Auswilderung mittels Voliere, gegen eine einfache Entlassung am Fundort und für falknerisches Training. (Selbstverständlich haben wir Teammitglieder mit Jagd- und Falknerschein mit an Bord.)

Jagdfähigkeit testen

Dabei wurde der Turmfalke bereits im Tierheim mittels Belohnung an den Handschuh und das Geschüh gewöhnt. Auch einzelne Jagdversuche (mit einer aufgetauten Futtermaus als Beute) wurden bereits im Tierheim durchgeführt. Trotz beschränkter räumlicher Möglichkeiten hatten wir den Vorteil einer sicheren, geschützten Umgebung.

Als sich der Falke schließlich an das Prozedere gewöhnt hatte, war er so weit, seine Fertigkeiten unter natürlichen Bedingungen wie starkem Wind unter Beweis zu stellen. Wir brachten ihn an den Fundort in NÖ zurück und wollten ihn erst dann frei lassen, wenn er auch hier seine Wendigkeit und Schnelligkeit zeigen konnte. Die Auswilderung nach 3,5 Monaten Pflege war ein voller Erfolg!

Auf Signale achten

Gespreizte Flügel, gesträubtes Gefieder, geöffneter Schnabel – wer hat nicht schon Bilder von Vögeln gesehen, die beim Handling deutlich gestresst waren? Sowohl Laien als auch ExpertInnen tendieren dazu, diese Signale für ein gutes Foto oder eine vermeintlich erfolgreiche, bequeme Auswilderung zu missachten.

Die Freilassung eines Langzeitpfleglings aus einer geschützten aber kleinen Voliere, in der keine echte Lebenssituation nachempfunden werden kann, ist aber nichts weiter als ein „Rauswurf“. Was danach mit dem Tier passiert, kann nicht mehr beeinflusst werden. Fliegt es doch nicht so gut, hat es letztendlich einfach „Pech gehabt“.

Schonend und stressarm

Eine Auswilderung über Außenvolieren wird normalerweise als die einzige, schonende Auswilderungsmöglichkeit angesehen, die eine stressfreie Freilassung ermöglicht. Durch das Training mit dem Falken konnten wir aber nicht nur sichergehen, dass wir ein perfekt rehabilitiertes Tier freilassen. Die Unterbringung im Tierheim, der Transport von Wien zum Fundort nach NÖ und auch das anschließende Handling erwiesen sich als absolut entspannt.

Unser Ziel ist es einerseits, Tiere mit ausgezeichneten Überlebenschancen auszuwildern und andererseits, Möglichkeiten zu finden, dieses Ziel schonend und stressarm zu erreichen. Dafür sind wir gern bereit, von der Falknerei zu lernen!