Umweltpädagogik – aber richtig

Igel bei der Untersuchung auf Verletzungen - Wildtierhilfe Wien

Wir möchten uns heute mit einem Thema beschäftigen, das uns besonders am Herzen liegt – Umweltpädagogik. Dabei möchten wir besprechen, wie Umweltpädagogik gestaltet sein kann ohne dabei das Wohl der Wildtiere aus den Augen zu verlieren.

Wildtiere auf Besuch?

Für Kinder ist die Begegnung mit einem Wildtier natürlich etwas besonderes! Umgekehrt bedeutet es für das Wildtier, das sich ohnehin vor dem Menschen fürchtet, meistens Angst und Stress. Die Aufregung der Kinder überträgt sich auf das Tier, das nicht nur vor einiger Zeit seiner natürlichen Umgebung entwendet werden musste, sondern nun auch in eine weitere fremde Umgebung mit vielen neuen Gerüchen und Geräuschen gebracht wird.

Wildtiere sind keine Haustiere, die im Laufe jahrtausendelanger Domestikation darauf trainiert wurden, von Grund auf an den Menschen gewöhnt zu sein, wodurch sie oftmals auch Fremden gegenüber entspannt bleiben. Selbst unsere Handaufzuchten, die das geübte Handling durch  PflegerInnen und BabysitterInnen kennen, haben Fremden gegenüber eine gesunde, natürliche Scheu. Es ist nicht im Sinne der Tiere sie generell an die menschliche Hand oder ihre bloße Anwesenheit zu gewöhnen – diese Eigenschaft kann in der Natur tödlich enden. Warum diese Desensibilisierung für Wildtiere nicht gut ist, können Sie in folgendem Artikel nachlesen: Fehlprägung – Schäden durch Falsche Aufzucht II.

Was für die Kinder ein tolles Erlebnis ist, kann für Wildtiere daher zu einer absoluten Zumutung ausarten. Stress kann sich auf vielfältige Art und Weise äußern. Manche Tiere laufen nervös in ihren Volieren herum, andere ziehen sich zurück und hören für mehrere Tage auf zu fressen. Stress wirkt überdies immunsuprimierend, als Folge dessen können sich beispielsweise Endoparasiten verstärkt ausbreiten. Hinzu kommt, dass meist ohnehin keine gesunden Tiere in Pflege kommen: Unsere Pfleglinge werden i.d.R. aufgrund von Krankheiten oder Verletzungen aufgenommen und haben daher bereits ein geschwächtes Immunsystem.

Wissen vermitteln – Vorstellung und Realität

Häufig wird damit argumentiert, dass es ein kleiner Preis zu zahlen wäre, wenn man bedenkt, was Kinder dafür aus dieser Erfahrung mitnehmen würden. Unserer Erfahrung nach hält sich der Lerneffekt für die Kinder bei dieser Art der Begegnung mit Wildtieren in Grenzen. Selbstverständlich weckt ein Wildtier, das hautnah beobachtet werden kann, Interesse und Faszination. Jedoch konnten wir gerade bei den ganz Kleinen häufig bei der Übergabe eines Pfleglings beobachten, dass vor lauter Aufregung ein weiteres Zuhören unmöglich wird.

Unbewusst und ungewollt wird stattdessen vermittelt, dass Wildtiere (selbst nachtaktive) problemlos angefasst werden können. Eine Vorführung in Schulen und Kindergärten kann – trotz aller Vorbereitungen und Bemühungen um einen ruhigen und respektvollen Umgang mit den Tieren durch die PädagogInnen – oft suggerieren, dass Tiere dem Menschen zugänglich sind, man sie herzeigen und anfassen kann. Ahmen Kinder dieses Verhalten draußen in der Natur nach, so kann das unter Umständen durchaus gefährlich werden. Die meisten Wildtiere beißen.

Hinzu kommt, dass bei einem Besuch mit einem Wildtier nicht deren natürliches Verhalten beobachtet werden kann – anders, als es in beispielsweise in Wildparks der Fall ist, wo die Tiere beobachtet werden können, ohne dass sie ihre gewohnte Umgebung verlassen müssen. Im Idealfall haben sie dort ausreichend Platz, um ihr artspezifisches Verhalten auszuleben und bei Störung den BesucherInnen aus dem Weg zu gehen. Alles, was man hingegen bei der Vorführung eines Wildtieres zu sehen bekommen würde ist, wie das Tier aussieht und wie es sich (unter dem Einfluss von Stress) bewegt.

Alternativen

Ist das Näherbringen der Natur und ihrer Artenvielfalt Programm in Kindergärten und Schulen, begrüßen wir das sehr! Gerne besucht unser Verein pädagogische Einrichtungen – unsere Tiere dürfen aber in ihrer Pflegestelle bleiben. Wir sind davon überzeugt, dass es möglich ist, Kinder für Wildtiere zu begeistern, ohne den direkten Kontakt mit jenen zu fördern.

Ein theoretischer Vortrag kann, durch Fotos oder Tonaufnahmen, Spiele, Malen und Basteln, problemlos aufgelockert werden. Schon anhand des Ausmalens eines vorgezeichneten Schmetterlings lässt sich viel erklären. Warum wurde der Schmetterling braun angemalt? Möchte sich das Tier tarnen? Als was möchte sich der Schmetterling denn tarnen? Warum wird der andere Schmetterling hingegen bunt angemalt? Da schon Dreijährige in der Lage sind, sich durch Bilderbücher oder kindgerechte Dokumentationen für die Natur zu begeistern, und bei Führungen in Zoos Fragen auf erstaunlich präzise Art und Weise zu beantworten, vertrauen wir darauf, dass das auch für unsere Wildtiere funktioniert.

Spaziergänge im Freiland halten wir für ein weiteres sinnvolles Mittel, gerade ältere Kinder zu sensibilisieren, ihnen zu zeigen, wo Tiere wohnen, wie sie klingen und wie sie sich verhalten. Man kann sich den Lebensraum genau anschauen, und sogar die Pflanzenwelt miteinbeziehen. Wird ein Wildtier gesichtet, kann demonstriert werden, dass man sich – besonders in der Gruppe – gelassen und leise verhalten sollte, um es zu beobachten. Das Tier hat dann die Möglichkeit zu flüchten, falls es ihm zu viel wird. Es gibt viele lehrreiche Spiele, die für Draußen ausgelegt sind, und nebenbei dem Bewegungsdrang der Kinder gerecht werden.

Ein Beispiel hierfür ist das bekannte Fledermaus-Motte-Spiel, das die Ultraschallorientierung und das Jagdverhalten von Fledermäusen erklärt. Eine Gruppe von Kindern bildet einen Kreis – sie sind die Bäume. Innerhalb des Kreises befindet sich ein Kind mit verbundenen Augen, die Fledermaus, so wie ein paar weitere Kinder, die  Motten. Die Fledermaus kann sich nicht mit den Augen orientieren, und muss piepsen, um die Motten zu finden. Da der Ultraschall von den Motten reflektiert wird, antworten diese mit einem Geräusch auf das Piepsen – die Fledermaus muss sich also mit dem Gehör orientieren, um die Motten zu fangen. Die Bäume müssen ein anderes Geräusch von sich geben, sobald die Fledermaus sich nähert – wir wollen schließlich nicht, dass die Fledermaus gegen einen Ast flattert!

Im Internet findet man bereits zahlreiche Anleitungen für solche lehrreichen Spiele, und auch den eigenen Ideen sind kaum Grenzen gesetzt. Wir sind optimistisch, dass Ihnen effektive und kreative Lehrmethoden einfallen, die den Kindern Spaß machen und gleichzeitig die Tiere schonen.