Brot zu füttern schadet Wildtieren!

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Wir werden manchmal gefragt, warum man Schwäne und Enten nicht mit Brot füttern soll. Das gilt nicht nur für (Wasser-)Vögel. Brot schadet Wildtieren und sollte – auch in kleinen Mengen – generell nicht verfüttert werden.

„Sie fressen es doch so gern!“

Immer wieder sieht man in Parks, wie Vögel scheinbar mit Vorliebe das ihnen angebotene Brot fressen. Warum tun sie das, obwohl es ihnen schadet? Nun, wahrscheinlich aus einem ähnlichen Grund, warum wir Menschen uns manchmal an einem großen Stück Schokoladentorte überfressen: weil wir gerade hungrig sind. Oder einfach, weil es uns schmeckt.

Das Argument, das man am häufigsten gegen Brotfütterung hört, ist, dass Brot im Magen der Tiere aufquellen kann, was zu Durst und Verdauungsproblemen führen soll. Wahrscheinlich bezieht sich diese Aussage auf die im Weizenmehl besonders stark enthaltenen Klebstoffe. Wären sie nicht enthalten, würde sich der Teig nicht so schön formen lassen. Inwiefern es aber tatsächlich zu einem Aufquellen und dadurch zu gesundheitlichen Folgen kommt, ist etwas, was wir bei unseren Recherchen nicht herausfinden konnten. Jedoch gibt es genug andere Gründe, kein Brot zu füttern.

Physiologischer Hintergrund

Salz

Körnerfressende Vögel nehmen von Natur aus sehr viel Kalium und wenig Natrium mit der Nahrung auf. Das auch im Kochsalz enthaltene Natrium nehmen sie großteils über die Umwelt zu sich. Klingt ja erst mal nicht so schlecht. Manche Vögel haben sogar eine eigene Drüse, die überschüssiges Salz ausscheiden kann. Trotzdem ist  das im Brot enthaltene Salz für viele Wildtiere, insbesondere kleine Säuger, zu hoch konzentriert und schadet den Nieren.

Laktose

Hinzu kommt, dass Brot nicht zwangsläufig ohne Milchprodukte hergestellt wird. Milchzucker kann aber von vielen Wildtieren nicht verdaut werden. Vögeln fehlt beispielsweise das dafür notwendige Enzym im Darm.

Stärke

Brot ist sehr stärkereich und Stärke ist eine lange Zuckerkette. Bei einer bestehenden Infektion des Magen-Darm-Trakts freuen sich auch alle unerwünschten Beteiligten über die süße Versuchung. Viele Parasiten, Bakterien und Pilze fühlen sich sehr wohl in einem zuckerreichen Milieu.

Fester Taubenkot. So sehen die Ausscheidungen von Tauben aus, die mit artgerechtem Futter versorgt wurden. Von menschlichen Speiseresten, z.B. Brot, bekommen Tauben Durchfall.

Fester Taubenkot. So sehen die Ausscheidungen von Tauben aus, die mit artgerechtem Futter versorgt wurden. Von menschlichen Speiseresten, z.B. Brot, bekommen Tauben Durchfall.

Kritiker meinen nun vielleicht, dass zumindest körnerfressende Vogelarten in der Lage sein müssten, Stärke zu verdauen. Und das ist durchaus richtig. Allerdings kann man die in Getreidekörnern enthaltene Stärke kaum mit verarbeitetem Getreide in Form von Brot vergleichen. Schließlich ist es sehr aufwändig, die harten Getreideschalen von ganzen Körnern vorzuverdauen, um erst einmal an die darin enthaltene Stärke zu kommen. Um das selbst zu testen, nehmen Sie am besten eine Semmel und kauen diese möglichst lange vor dem Schlucken. Man merkt sofort, wie sich ein süßer Geschmack entfaltet. Es ist die Stärke, die sich durch im menschlichen Speichel enthaltene Enzyme in Einfachzucker zerlegt. Vögel haben diese Enzyme nicht im Speichel. Die Hauptverdauung von Stärke findet bei ihnen im Dünndarm statt. Dadurch befindet sich bei der Fütterung mit verarbeiteten Getreide (insb. Weißmehlprodukten)  sehr schnell eine große Menge Zucker im Darm. Dieser gelangt schließlich ins im Blut – mit unterschiedlichen Folgen.

Nährstoffe in schnell verdaulicher Stärke können nicht so gut aufgenommen werden, wie jene aus langsam verdaulichen Körnern. Besonders kritisch ist es dann, wenn im Brot sehr viel Weißmehl enthalten ist, da dieses an sich schon weniger Nährstoffe enthält. Beim Getreide befindet sich nämlich der Großteil an Nährstoffen in der Schale. Langsam verwertbare Stärke erzeugt einen flacheren, aber dafür länger anhaltenden Insulinpeak als leicht verdauliche Stärke. Dieser erhöhte Insulinspiegel ist für den Transport und die Aufnahme von Aminosäuren essentiell, welche zur Herstellung von Proteinen (u.a. für den Muskelaufbau), wichtig sind. Bei leicht verdaulicher Stärke fällt der Insulinspiegel schneller wieder in den Keller. Die Folgen? Einerseits entsteht ein Nährstoffmangel, andererseits kann ein hoher Blutzucker gefährliche Krankheiten verursachen.

Viele Haustierbesitzer können ein Lied davon singen. Ein hoher Blutzuckerspiegel kann auch bei Tieren in Diabetes resultieren. Sogar Vögel können an Diabetes erkranken. Die Erkrankung hängt bei Vögeln nicht so stark mit dem Insulin- sondern mit dem Glucagonstoffwechsel zusammen. Das Grundproblem ist aber dasselbe: eine nicht artgerechte, zu kohlehydratreiche Ernährung.

Schimmel

Übrig gebliebenes Brot, das dann im Wasser schwimmt oder an Land getrieben wird, fängt schließlich an zu schimmeln. Im Gegensatz zu uns Menschen sind Vögel enorm anfällig auf die durch den Schimmelpilz hervorgerufene sog. Aspergillose.

Anlocken unerwünschter Gäste

Natürlich freuen sich auch andere Tiere, wie Mäuse oder Ratten, über das angeschwemmte Brot. Auch jenen schadet übrigens diese Art von Futter. Persönlich mag man vielleicht ein Fan der niedlichen Nager sein, in Menschennähe sind sie durch ihre hohe Vermehrungsrate und ihre Rolle als Krankheitsüberträger oft problematisch. Wir alle wissen, was für unerfreuliche Konsequenzen das nach sich zieht. Es werden Giftköder ausgelegt, die einen qualvollen Tod für die Nager und andere Wildtiere bedeuten. Auch für Haustiere sind diese Köder oftmals nicht unbedenklich.

Ökologische Gründe

Futterreste tragen zur Überdüngung der Gewässer bei. Was zunächst lapidar klingt kann aber – besonders in stehenden Gewässern – katastrophal für viele Tiere enden. Nährstoffe fördern das Algenwachstum. Diese produzieren einerseits Sauerstoff, andererseits dienen sie Tieren als Nahrung – klingt erst mal super.

Ein Problem besteht aber dann, wenn durch zu viele Nährstoffe so viele Algen produziert werden, dass sie förmlich explodieren. Alles, was sich unter ihnen befindet, wird dann vom Licht abgeschnitten und kann nicht mehr ausreichend gefressen werden. Auch Algen sterben irgendwann ab und werden abgebaut. Die Organismen, welche daran beteiligt sind, verbrauchen massenweise Sauerstoff. Sauerstoff, den Fische und andere wasserbewohnende Lebewesen dringend benötigen. Ist kein Sauerstoff mehr vorhanden, beginnen stattdessen Organismen, die ohne Sauerstoff auskommen, die Algen abzubauen. Dabei setzen sie giftige Stoffe frei. Das ist dann dieser typische faulige Geruch, den wir vor allem im Sommer wahrnehmen können, wenn ein Gewässer kippt.

Dieser Nährstoffeintrag (Eutrophierung) ist ein massives Problem – und das nicht nur in der Stadt durch Abwassereinleitungen. Auch Düngemittel, die ins Wasser geraten, stellen ein Problem dar. Dass es dann nicht von Vorteil ist, wenn Menschen zusätzlich ihren Müll ins Wasser werfen oder gut meinend mit Einkaufswägen voller Brot Tiere füttern, versteht sich von selbst.

Zusammenfassung

Es ist nicht nötig, Wasservögel (oder andere Wildtiere) im Winter mit Brot zu füttern. Das gilt auch dann, wenn weitgehend vereiste Gewässer den Anschein erwecken, dass die Tiere verhungern könnten. Nicht umsonst bleiben Höckerschwäne aus Österreich auch im Winter bei uns, wohingegen skandinavische Populationen der Kälte ausweichen und ziehen. Durch ihre Flugfähigkeit können Wasservögel eisfreie Stellen finden und dort Nahrung suchen. Wildtiere passen ihren Stoffwechsel gekonnt an die Kälte an. Für manche Wildtiere ist eine übermäßige Fütterung im Winter aus diesem Grund sogar schädlich. So reduzieren etwa Rehe ihren Verdauungstrakt, um mit dem geringeren Nahrungsangebot zurechtzukommen. Daher gilt: eine gesunde Wildtierpopulation kommt mit der Nahrungsmenge aus, die in einem durchschnittlichem Winter vorhanden ist.

Auch ist Brot ein auf die menschlichen Bedürfnisse abgestimmtes Nahrungsmittel und nicht für Tiere geeignet. Die für sie notwendigen Nährstoffe sind nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Stattdessen ist Brot zu zuckerhaltig und enthält Substanzen wie Laktose oder Salz, die vielen Wildtieren schaden können. 

Die Auffassung, selbst nur unbedenklich kleine Mengen menschlicher Speisereste zu verfüttern, trägt trotzdem zur Gewässerverschmutzung bei und verursacht Tierleid. Es gilt zu bedenken, dass viele Leute mit dem gleichen Gedanken Dinge füttern, die im Magen von Tieren nichts verloren haben. Mit der Fütterung, vor allem an bzw. im Wasser, richtet man leider sehr schnell mehr Schaden an, als man Gutes tut. Es gibt zahlreiche andere Wege, seine Umgebung einladend für Wildtiere zu gestalten. Sei es ein unaufgeräumter Garten, eine begrünte Fassade oder ein Balkon voller Schmetterlingsblumen – lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf!

Quellen

  • Ley S H, Hamdy O, Mohan V, Hu F B (2014): Prevention and management of type 2 diabetes: dietary components and nutritional strategies. The Lancet 383: 1999-2007.
  • Westerheide W, Rieger R (2010): Spezielle Zoologie. Teil 2: Wirbel- oder Schädeltiere (2. Auflage). Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
  • Weuring R E, Enting H, Verstegen M W (2003):The Relation Between Starch Digestion Rate and Amino Acid Level for Broiler Chickens. Poult Sci 82: 279-284.
  • Whittow G C (2000): Sturkie’s Avian Physiology (5. Auflage). San Diego: Academic Press.